Postulat im Nationalrat im Nachgang zur QOf-Feier
- Postulat Aufarbeitung und Anerkennung des Unrechts, das Homosexuellen in der Armee zugefügt worden ist
- Wortlaut des Postulats
- Stellungnahme des Bundesrates vom 17.11.2021: Der Bundesrat ist bereit, das Anliegen des Postulats aufzunehmen und anerkennt, dass der Umgang der Armee mit Homosexuellen und anderen Minderheiten ein relevantes Thema für eine unabhängige, wissenschaftliche Analyse darstellt. Die Aufarbeitung wird allerdings herausfordernd sein, da die Daten über Angehörige der Armee aus datenschutzrechtlichen Gründen in der Regel längstens bis zu fünf Jahren nach der Entlassung aus der Militärdienstpflicht aufbewahrt werden. Im Bundesarchiv werden nur ausgewählte Dossiers zu bestimmten Themen archiviert. Fälle von Diskriminierungen und insbesondere "HS"-Einträge aus den frühen 1990er-Jahren und früher dürften daher kaum mehr eruierbar oder zumindest nicht repräsentativ erhebbar sein. Die Erarbeitung des Berichts wird aufgrund der limitierten Datenlage und der damit verbundenen methodischen Herausforderungen voraussichtlich länger als zwei Jahre in Anspruch nehmen.
- Da SVP-NR Rüegger das Postulat am 17.12.21 bekämpfte, wird dessen Überweisung an den Bundesrat in einer späteren Session behandelt werden.
- Am 09.03.2022 überweist der Nationalrat das Postulat mit 132 Stimmen gegen 52 bei 7 Enthaltungen. (Die Voten)
- ASMZ, Heft 11 Jahrgang 184 (2018): Diversity Management: Herausforderung und Chance
- Statistik von 1992 über Art. 157 MStG
- Weisung des Oberfeldarztes von 1970 zur alten Nosologia Militaris "abnome sexuelle Veranlagung"
- Zivilverteidigungsbüchlein von 1969: Stimmung gegen schwule Brunnenvergifter und Sicherheitsrisiko
- bz vom 23.11.21 (CH Media)
- watson vom 23.11.21
- Zofinger Tagblatt vom 05.09.23
Vor 1992
Ich wurde 1969 als San Sdt ausgehoben. Damals galt Art. 157 MStG „Wer mit einer Person gleichen Geschlechts eine unzüchtige Handlung vornimmt, wird mit Gefängnis bestraft. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung“. Und in der Nosologia Militaris, der militär-medizinischen Diagnoseliste, gab es eine Geheimnummer für „abnorme sexuelle Veranlagung“. Beides stand für schwul – juristisch bzw. medizinisch ausgedrückt. Diese Tatsachen kannte ich als Rekrut nicht – aber es war mir einfach klar, dass Homosexualität in der Armee unerwünscht war. Natürlich wusste ich selbst auch nicht, dass ich schwul war – ich hatte ja damals keine schwulen Vorbilder als militärbegeisterter, bürgerliche cis-Mann. Höchstens linke und tuntige Dienstverweigerer kamen in den Medien vor. Vielleicht ahnte ich, dass ich schwul war; vielleicht war auch mein bester Kamerad in der RS schwul; denn wir sprachen im Ausgang lieber über Gepäckmärsche als über Frauen. Und als die andern im Ausgang zuerst herumsauften und dann herumhurten, fanden wir zwei uns – zufällig und freiwillig abkommandiert – für diese Nacht auf dem Wachtlokal wieder. In der San OS lernte ich in der Ausbildung zum Z Fhr das Dienstreglement und Militärgesetz vertieft kennen und in der Ausbildung zum Trp Az diese ominöse Nosologia Militaris, die neben Plattfüssen und Rückenschäden auch Psychopathien als mögliche Untauglichkeitsgründe aufzählte. Ich hatte keine dieser Nummern auf Seite 6a meines Dienstbüchleins. Als Kp Kdt bekam ich die Mannschaftskontrollblätter meiner Männer. Darin standen Namen, Vorname, Adresse, bisherige Einteilungen, militärische Ausbildungen usw. Bei wenigen gab es auch ein mit Bleistift hingehauchtes HS. Meine Of Ordonnanz, mein Kadifahrer, dessen Freund und ein Küchengehilfe hatten so ein HS. Ich habe nie erfahren, wie dieses HS in die Korpskontrolle kam. War es der Adjutant der RS, war es ein früherer Kp Kdt? Klar wurde mir aber: Dieses HS heisst homosexuell; das waren also die Schwulen meiner Kp. Mein Coming-Out hatte ich 1982 in Houston, Texas, wo ich als Post-Doc für die NASA ein Forschungsprojekt anstiess. Zurück in der Schweiz bekam ich 1985 wieder eine San Kp. Wie üblich gab es die Blutspendenaktionen, an denen Schwule wegen Aids nicht teilnehmen durften. Beim Antrittsverlesen stand ich vor meine Kp und sagte: „Ihr geht heute Nachmittag zum Blutspenden. Ich bleibe hier – ich bin schwul. Wer auch nicht blutspenden darf oder will, kommt mit mir nach der Mittagspause auf einen Gepäckmarsch“. Fast die halbe Kp entschied sich für den Gepäckmarsch. Dadurch fiel die Teilnehmerzahl meiner Kp beim Blutspenden auf einen extrem tiefen Wert, was auch die Statistik der San Abt innerhalb des Spit Rgt drückte. Meine Quali war katastrophal - meine Militärkarriere beendet. Ich wurde in den Abteilungsstab und später in einen Armeestabsteil „lateral befördert“, wo ich bis 2003 ansprechende Aufgaben übernahm. Dort war meinen Vorgesetzten klar, dass fachliche Qualifikation wichtiger als die richtige sexuelle Orientierung ist. 1992 wurde der Schwulenartikel des Militärstrafrechts in einer Referendumsabstimmung gestrichen. Im gleichen Jahr strich auch die WHO Homosexualität aus der Krankheitsliste. Der Weg war frei, dass Armee und Schwule ihr Verhältnis normalisieren konnten. Darüber kann jetzt aber ein jüngerer Kamerad rapportieren. |
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Display Nr. 134 vom Februar 2022, Seite 6: Unglaublich, aber nicht ganz wahr. Richtig ist, dass mindestens ein Fall bekannt ist, in dem in einer Sanitätskompanie die Korpskontrollblätter mehrer Schwulen ein "HS" trugen. Ob diese Einträge angebracht worden waren, um deren Beförderung zu verhindern oder um sie für "typisch schwule" Funktionen wie Of-Ordonnanz, Kadi-Fahrer, Küchendienst oder Büroordonnanz vorzumerken, ist nicht klar. Das soll abgeklärt werden.
Das Interview mit dem offen schwulen Soldat Daniel (voller Name bekannt) in der Soldatenzeitung "Panzerknacker 1/91", Seite 3 und 4, zeigt, dass der blaue Weg, über die abnorme sexuelle Veranlagung (abnormer Sonderling) dienstuntauglich erklärt zu werden, in armeekritischen Kreisen bekannt war. Unbekannt ist, wie viele Schwule diesen Weg gewählt und wie viele heterosexuelle Drückeberger Schwulität vorgetäuscht haben.
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Stand der VBS-Studie:
- Pressemitteilung vom 13.06.24
- SRF Tagesschau von 13.06.24 19:30
Der Flyer "Armee und Homosexualität" wurde an der Züri Pride vom 15.06.24 verteilt.
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Links:
- Erstinstanzliches Urteil wegen schwulenfeindlicher Sprüche des Militärgerichts (noch nicht rechtskräftig)
- "Schwul im Militär". Zürich Pride Podcast vom 19.09.23 mit Lukas (QOf-Mitglied) und Dominik (QOf-Präsident).
- Display-Interview mit Bundespräsidentin V. Amherd vom 10.06.24
- bz online vom 13.06.24 "Wurden Schwule in der Armee fichiert?"
- BZ online vom 13.06.24 "Homosexualität in der Schweizer Armee wird untersucht"
- SRF 4 vom 14.06.24 "4 x 4 Podcast" ab Minute 7:07
- Baudacci, Diss: Diversity Management in der Schweizer Armee
- bazonline vom 05.07.24 "Wie die Armee Schwule im Dienstbüchlein brandmarkte"
- TA-Podcast vom 24.07.24 "Als Schwulsein in der Armee verboten war"
Stand 18.11.24