Lesben und Schwule in der Arbeitswelt
Vorwort zur ersten Auflage von 2001
Es war ein strahlend sonniger Tag im Juni dieses Jahres in Zürich, da sagte Moritz Leuenberger vor Tausenden von Lesben und Schwulen: «Ich habe gelesen, dass Sie an Ihren Arbeitsplätzen gemobbt, nicht befördert, dass einige sogar entlassen werden, wenn sie zu ihrer Homosexualität stehen. (...) Dass jeder nach seiner eigenen Fasson selig werden soll, ist ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit. (...) Doch die Selbstverständlichkeit ist immer noch nicht da. Aber sie muss kommen. Sie haben ein Recht darauf.» Recht hat der Bundespräsident! Und Mut macht er mit solchen Sätzen. Denn im Arbeitsalltag von Lesben und Schwulen gibt es trotz einiger Lockerungen und Liberalität in den vergangenen Jahren noch immer psychologische und materielle Diskriminierungen. Noch sind es wenige Arbeitgeber, die sich aktiv für die Rechte und den Schutz ihres gleichgeschlechtlich orientierten Personals einsetzen. Diese Broschüre zeigt, was schon möglich ist, was Arbeitgeber heute schon tun. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständig- keit. Im Gegenteil: Wir hoffen, dass die Vorbilder Schule machen. Jeder Arbeitgeber kann zur Verbesserung des Arbeitsklimas in seiner Firma beitragen, auch wenn es um die Probleme geht, die Schwule und Lesben haben. Wo diese Broschüre das Interesse geweckt hat, sind wir auch zu einem persönlichen Gespräch oder Coaching bereit. Wir sind eine Fachgruppe, die gemeinsam von der Lesbenorganisation Schweiz (LOS) und dem Schwulenbüro (Pink Cross) anfangs 2001 gegründet wurde. Wir konzentrieren uns derzeit noch auf einige Branchen und Gebiete (vgl. Seite 6). Mit verschiedenen Firmenleitungen und Organisationen konnten wir im zurückliegenden halben Jahr wertvolle Kontakte knüpfen. Fragen Sie uns, falls wir sie beim Planen und Umsetzen von Diversity Policies, die die sexuelle Orientierung miteinschliessen, unterstützen sollen. Diese Broschüre zeigt unsere Arbeit bis jetzt. Das soll nur der Anfang sein: Wo ein freies Arbeitsklima herrscht, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keinen Teil von sich verbergen müssen, steigt die Arbeitsqualität und die Identifikation mit dem Geschäftsziel. Unser Anliegen dient also allen. Wir freuen uns, zu erfahren, wie unser Anliegen bei Ihnen ankommt. Herzlich Ihr Dr. Rolf Stürm Leiter Fachgruppe Arbeitswelt |
Vorwort zur zweiten, überarbeiteten Auflage von 2003
Im September 2001 veröffentlichte die Fachgruppe Arbeitswelt der Lesbenorganisation Schweiz (LOS) und der schweizerischen Schwulenorganisation PINK CROSS die erste Auflage der Broschüre “«Queer» im Job – Lesben und Schwule in der Arbeitswelt”. Darin zeigten wir auf, was Arbeitgebende tun können, um ihre lesbischen und schwulen Angestellten vor Diskriminierung zu schützen. Heute halten Sie die zweite Auflage von “«Queer» im Job” als Handbuch in den Händen. Sie soll wiederum Personalverantwortliche, GewerkschaftsfunktionärInnen, ArbeitsjuristInnen und ArbeitspolitikerInnen ansprechen, genauso wie berufstätige lesbische Frauen und schwule Männer. Im Vergleich zur ersten Ausgabe sind Diversity-Konzepte (Diversity: Englisch für Vielfalt) und die aus diesen resultierenden Diversity- Policies zentrales Thema der Broschüre. Ein Diversity-Konzept nimmt Menschen in ihrer Ganzheitlichkeit (Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion und sexuelle Orientierung) wahr. Die Diversity-Policy formuliert eine konkrete Umsetzung des Diversity-Konzeptes. Diese Eigenschaften (wie Alter, sexuelle Orientierung etc.) werden auch Kerndimensionen genannt und gelten als naturgegeben oder zumindest dermassen persönlichkeitsbildend, dass Gesetzgebungen in der Schweiz und in Europa diese auf den verschiedenen Ebenen der Rechtssetzung aufgenommen haben. In der schweizerischen Bundesverfassung steht in Art. 8, Abs. 2 “Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen (...) der Lebensform (...).” Und das EU-Recht schützt in den EU- Richtlinien 2000/43 und 2000/78 durch die explizite Erwähnung der Homosexualität lesbische Frauen und schwule Männer vor Diskriminierung am Arbeitsplatz. Die Frage, ob eine implizite oder eine explizite Erwähnung der Homosexualiät in den Diversity-Policies hilfreicher ist, wird von ExpertInnen, Personalverantwortlichen und PolitikerInnen unterschiedlich beantwortet. Die einen meinen, dass nur die explizite Nennung von Kerndimensionen Menschen längerfristig vor Benachteiligungen schützt. Die anderen sind jedoch überzeugt, dass die explizite Nennung solcher Dimensionen genau das Gegenteil bewirkt und deren Nennung die Ghettoisierung provoziert. Die Zukunft wird zeigen, ob eine der beiden Varianten effektiver ist oder jede in ihrer Art einen Beitrag zur Antidiskriminierung leistet. Wir haben auch für die zweite Ausgabe nur Unternehmungen angeschrieben, in denen aktive Mitglieder von lesBischwulen Berufsorganisationen tätig sind oder bei denen wir eine fortschrittliche Diversity- und Pensionskassenpolitik vermuteten. Aus zeitlichen Gründen war es uns nicht möglich, die Arbeitgeberverbände zu kontaktieren. Deshalb fehlen diese Textauszüge, was wir in der dritten Auflage von “«Queer» im Job” nachholen werden. Damit ist auch gesagt, dass dieses Handbuch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Es ist eine eindrückliche Sammlung von Antidiskriminierungsformulierungen aus der heutigen Arbeitswelt. Die Quote der Antworten auf unsere Anfrage ist mit rund 40% hoch. Wir danken allen Unternehmungen, die uns erlaubt haben, Texte aus ihren Leitbildern, Pensionskassenreglementen, Publikationen usw. abzudrucken. Die Unternehmen zeigen damit, dass ihre Diversity-Policies keine leeren Worte sind. Wir hoffen, dass “«Queer» im Job“ einen Beitrag zum Wohlbefinden von Lesben und Schwulen am Arbeitsplatz leistet und die Situation von lesbischen und schwulen Angestellten in der Arbeitswelt verbessert - und so auch insgesamt eine noch bessere Arbeitsatmosphäre für Produktivität und Kreativität möglich wird. Rolf Stürm, Liliane Schaufelberger, Helmut Eichinger |